Träume und Transite

Reisen ist in allen Kulturen der Welt eine Metapher für das Leben selbst:

Odysseus, Parzival, Mohammed, Marco Polo – in den großen Reisege­schichten erkennen die Zuhörer die Windungen und Wendungen ihres eigenen Lebensweges wieder. Dar­über hinaus können sie stellvertre­tend ihre Sehnsucht nach Ferne und Abenteuer befriedigen lassen. Die Reiseerzählung ist ein literarisches Erfolgsrezept geblieben, von Karl May bis Bruce Chatwin.

Das Fernweh ist wahrscheinlich der Nachhall einer Zeit, als ständiges Nomadentum die einzige Lebens­form war: Zu wissen, was hinter den Bergen liegt, war für unsere Vorfahren lebensnotwendig. Erst sehr viel später, als die Menschheit sesshaft wurde, entstanden die neuen Reisemotive: Eroberungswil­le, Geschäftssinn, Abenteuerlust, spirituelle Pilger­fahrt, Bildung. Zu Beginn der Neuzeit waren Wan­derjahre die Lehrjahre des Lebens schlechthin. Als erfahren galt nur, wer die Dialektik des Reisens zwischen Freiheit und Mühsal erfahren hatte.

Und was läßt uns heute wie die Lemminge alljähr­lich in die Ferne strömen? Der moderne Reisetrieb wird von seinen Kritikern gerne als Flucht inter­pretiert – der Massentourismus sei im Grunde das Eingeständnis einer großen Unzufriedenheit mit den Lebensverhältnissen am „Standort“. Ist Reisen also nur noch Stimulanz für chro­nisch Unterstimulierte, Erschöpfte, Ge­langweilte? Der Soziologe Zygmunt Bauman unterstreicht diese Sichtweise: Tou­risten seien pleasure collectors, Sammler angenehmer Erlebnisse. Ein akademi­scher Puritanismus schwingt mit, wenn uns so das Reisen madig gemacht wird, und auch die Verzichtprediger aus der Öko-Ecke tragen ihre Bedenken gegen eine allzu preiswert gewordene Mobilität immer wieder vor.

„Wenn wir versuchen zu fliehen – wenigstens auf die Art und Weise, die uns die Reiseprospekte vorgau­keln, dann ist das so, als würden wir versuchen, dem Tod zu entgehen. Wir wissen, daß dies ganz und gar unmöglich ist, aber in dem Ver­such liegt der einzige Sinn des Lebens, den wir je finden werden“ schreibt der Autor John Krich. So pathetisch wird der moderne Urlauber seine Pauschalreise selten sehen. Aber ei­ne Ahnung von dem, was Reisen noch alles sein kann – jenseits des na­heliegenden Erholungswunsches – beschleicht auch den heutigen Tou­risten. Immer häufiger stellt er seine bisherigen Reisegewohnheiten in Frage, die Erwartungen an die kost­bare Urlaubszeit verändern sich all­mählich. Einige der „alten“ Reisemotive erleben eine Renaissance, so haben sich die Pilgerfahrten (etwa nach Santiago de Compostela) in den letzten Jah­ren vertausendfacht. Sinnfindung, Selbstentdeckung bei der Begegnung mit dem Fremden, Trans­formation, Bildung sind neue, alte Gründe, auf die Reise zu gehen.

Wenn Ihr die Seminarunterlagen für unsere Reise nach Monemvasia lest, so ist gar eine „doppelte Horizonterweiterung“ möglich.

In diesem Sinne: Gute Reise!

Zur Anmeldung geht es hier entlang und der Flyer lässt sich hier runterladen.

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