Miteinander reden bedeutet einander zuhören.

„Man sollte mal heimlich mitstenographieren, was die Leute so reden. Kein Naturalismus reicht da heran.“ So Kurt Tucholsky. Und weiter: „Ein guter Alltagsdialog wickelt sich nie, niemals so ab wie auf dem Theater: mit Rede und Gegenrede. Das ist eine Erfindung der Literatur. Ein Dialog des Alltags kennt nur Sprechende – keinen Zuhörenden. Die beiden Reden laufen also aneinander vorbei, berühren sich manchmal mit den Ellenbogen, das ist wahr – aber im großen Ganzen redet doch jeder seins.“

Wessen bedarf es, damit aus einer Gesprächssituation ein Dialog entsteht?

Wir ahnen:

  • Ich werde (vielleicht) gehört, wenn ich selbst zuhören kann.
  • Ich werde respektiert, wenn ich es fertig bringe, den anderen zu respektieren. Dazu gehört es, meine Projektionen zurück zu nehmen.
  • Ich traue mich, dem anderen zu vertrauen. Das ist nicht nur die Grundlage dafür, dass mir vertraut wird. Darin ist enthalten, dass ich mir vor allem auch selbst vertraue.

Es sieht so aus, als gäbe es für ein gelingendes Gespräch noch einiges zu lernen, vielleicht gar zu lernen, ein Lerner zu sein?

Die gesellschaftlichen Anforderungen zur Alltagsbewältigung haben uns dahingehend konditioniert als Wissende aufzutreten. Sokrates nahm mit seinem οἶδα οὐκ εἰδώς da eine andere Haltung ein. Gerne wird das Zitat übersetzt mit „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Aber so dumm war Sokrates nicht. Was er uns mitteilt, ist dass er in seinem Wissen sich erst mal als ein Nicht-Wissender geriert, dass er zunächst hinterfragt, was man zu wissen vermeint. Ob dieses vermeintliche Wissen nicht nur ein noch unbewiesenes Für-selbstverständlich-Halten ist, treibt ihn um, dass bei näherer Untersuchung als unhaltbares Scheinwissen entlarvt werden kann.

Wir dürfen in unserem Bemühen, Lerner zu werden, uns wieder daran erinnern, dass es keine Schmach ist ein Anfänger zu sein. Der Anfängerstatus erlaubt mir, da ich ja nicht wirklich weiß, offen zu sein für neue Denkansätze, neue Denkräume, neue Denkmuster. Allerdings bedarf es auch des Mutes den Besserwissern mit ihrem fertigen Wissen in unbändiger Neugier entgegenzutreten. Mit der Neugier Ungeprüftes zu prüfen, Übernommenes zu hinterfragen, Glaubenssätze anzuzweifeln. Ein für die eigene Individuation durchaus lohnenswertes Unterfangen, gibt es doch dem Dialog die Chance stattzufinden. Dann hat der andere auch etwas davon. Dann ist es ansteckend.

Hanswerner Herber
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