Trecker fahren oder das Gesetz der Anziehung

„Trecker fahren“, fällt mir die Pointe eines alten Witzes ein, während ich hinter der Zugmaschine inklusive Anhänger her zuckele. Ob Trecker etymologisch wohl von Traktor kommt, frage ich mich. Trecken ist plattdeutsch und heißt ziehen, meine ich jedenfalls, aber im Plattdeutschen kenne ich mich nicht aus. Dafür in Latein: trahi heißt ziehen. Dann ist Traktor der Zieher. Sagt man so nicht. Attraktoren sind Anzieher. Sagt man auch nicht, obwohl attraktiv als anziehend durchgeht. Der Anhänger ist ein Jauchewagen und gar nicht anziehend. Es stinkt mir. Überholen geht nicht auf diesem Straßenabschnitt. Das stinkt mir auch. Ich werde unleidlich. Hätte ich jetzt einen Beifahrer, würde ich bei Beibehaltung meiner Laune wohl diesem stinken.

Wer oder was zieht wen oder was an?

Wenn Klärchen von nebenan mit den Wimpern klimpert, dann ist das schon sehr anziehend. Ob wiederum sie mich attraktiv findet, nur weil ich mich angezogen fühle, soll hier nicht erörtert werden. Ebenso wenig wollen wir den Pferdestärken des äußerst attraktiven, bulligen Sechszylinders unten auf dem Parkstreifen Aufmerksamkeit schenken und auch nicht dem heißen Teil von Ultrabook in gebürstetem Aluminium. Uns interessiert hier das seelische Moment der attractio, genauer noch die innerseelische (archetypische)Kraft (Energie, Dynamik)aus dem Unbewussten, die in der Außenwelt Gestalt annimmt. Fragen nach der Affinität, der Wiederkehr des Verdrängten und des Ausgleichs stellen sich:

  • Warum ziehe ich im Außen an, was meiner Innenwelt entspricht?
  • Warum tritt im Außen der Gegenpol zu einem Defizit auf?
  • Warum drängt das Verdrängte dazu, sichtbar zu werden?

Die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit im Spannungsfeld eigener autonomer Bestrebungen und den Forderungen der Umwelt ist letztes Ziel der Selbstwerdung. Der zugehörige Differenzierungsprozess sorgt geradezu gesetzmäßig dafür, dass Schicksal formend meinen Lebensweg kreuzt. Lebensweg ist Kontext. Kontext sind frühkindliche Bindungserfahrungen, sind pränatale Prägungen, ist das Milieu der Ursprungsfamilie, ist die Position in der Geschwisterreihe, ist Schulbildung und, und, und….

Immer wieder wird beklagt und angeklagt, bedauert und verurteilt, sich verwundert und nicht verstanden, dass Beziehungen – Partner, Freunde, Kollegen, Interessengemeinschaften … – alt werden und enden bzw. neue Beziehungen beginnen.

Natürlich geschieht das im Kontext meiner Lebensgeschichte. Begegnet mir in einer Lebensphase, in der ich mich beispielsweise als unzulänglich empfinde, jemand, den oder die ich idealisiere, ist das Scheitern schon programmiert. Die biographische Situation konstelliert passend zur jeweiligen Situation meiner Biographie den passenden Partner. Viele mögen jetzt abwinken und sagen: eben nicht! Genau die oder der stellt sich nach kurzer Zeit als unpassend heraus.

Klar doch, soll er oder sie doch das komplettieren oder kompensieren, was mir fehlt. Das entspricht aber nun nicht dem Werdungs- und Entwicklungsauftrag an mich. Wenn ich nicht an meinem (oft auch nur vermeintlichem) Defizit arbeite, sondern die Lösung von außen präsentiert erwarte, wird es statisch, falle ich immer wieder in das gleiche Muster.

Werde dir klar, heißt die Forderung, durchschaue dich selbst (und deine trüben Weingläser), dann klappt´s auch mit dem Nachbarn.

Hanswerner Herber

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