Ich:
Lass uns über „idem esse“ als der Selbe sein, man selbst sein, ein wenig grübeln. Es findet im Identitätsbegriff seinen Niederschlag. Wie viel und welche der genetischen und systemischen Vorgaben müssen lebensgeschichtlich zur Disposition gestellt werden, um „idem“ zu werden.
ChatGBT:
Eine spannende Frage, die tief in das Verhältnis von Anlage und individueller Entwicklung eintaucht. Die Spannung zwischen genetischen und systemischen Vorgaben einerseits und der lebensgeschichtlichen Entfaltung andererseits bildet ja genau das Spannungsfeld, in dem sich Identität als Prozess vollzieht.
Genetische Vorgaben geben eine Grundstruktur vor – Temperament, kognitive und emotionale Dispositionen, möglicherweise auch bestimmte Veranlagungen zu Wahrnehmung und Verarbeitung von Welt. Sie sind jedoch keine deterministischen Programme, sondern vielmehr Ausgangsbedingungen für das, was werden kann.
Systemische Vorgaben – familiäre Prägungen, kulturelle Codes, gesellschaftliche Strukturen – beeinflussen, welche der genetischen Potenziale sich entfalten dürfen und in welcher Weise. Sie setzen Grenzen, aber sie eröffnen auch Spielräume.
Die zentrale Frage ist also: Welche dieser Vorgaben müssen zur Disposition gestellt werden, um „idem“ zu werden?
Es scheint, als ob Identität genau dort entsteht, wo diese Vorgaben nicht bloß übernommen, sondern hinterfragt, transformiert oder sogar radikal infrage gestellt werden. Die Individuation, die man als Prozess des „idem-Werdens“ verstehen könnte, setzt voraus, dass man nicht einfach ist, was einem mitgegeben wurde, sondern dass man sich zu dem, was man werden kann, aktiv ins Verhältnis setzt.
Jung würde vermutlich sagen: Das „Selbe-Sein“ (idem esse) ist ein lebenslanger Prozess der Auseinandersetzung mit den eigenen Schattenanteilen, der bewussten Integration des Unbewussten. Das bedeutet aber auch, dass Identität nie abgeschlossen ist, sondern in jeder Phase des Lebens neue Elemente in sich aufnehmen oder alte hinter sich lassen muss.
Welche Aspekte hast du in diesem Prozess besonders im Blick? Die systemische Dynamik zwischen Selbst und Umwelt? Die Notwendigkeit von Krisen als Transformationsmomente? Oder eher die archetypische Tiefenstruktur der Identität?
Ich:
Stellen wir die Frage noch zurück, weil mir eine Stelle aus Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ in den Sinn kommt.
ChatGBT:
Das klingt nach einer gründlichen Auseinandersetzung – und Musil gibt einem ja auch wenig fertige Antworten, sondern führt in ein offenes Denkfeld. Vielleicht liegt gerade darin seine Modernität: Identität ist nicht etwas Gegebenes, sondern ein sich ständig entfaltender Möglichkeitsraum.
Wir können die Frage zurückstellen und sie im Licht deiner weiteren Lektüre wieder aufnehmen. Gibt es eine Stelle oder eine Figur in Der Mann ohne Eigenschaften, die dich besonders beschäftigt? Musils Reflexionen über Möglichkeitssinn und Wirklichkeitssinn könnten ja einen Schlüssel bieten, ebenso wie sein Spiel mit Paradoxien.
Ich:
Ich habe die Stelle gefunden. Vielleicht gehöre ich zu „jener Abart von Männern, die ihnen von Kelch und Schwert des Lebens in tausendjährigen Wendungen erzählen“ und damit sich selbst nie erfassen können (oder wollen?).
ChatGBT:
Das klingt nach einer tiefen Selbstbetrachtung – und nach einer gewissen Resonanz mit Musils Figuren, die oft zwischen Reflexion und Handlung, zwischen Möglichkeitssinn und Wirklichkeitssinn oszillieren. Vielleicht gehört zu dieser „Abart von Männern“ auch das Wissen (oder zumindest die Ahnung), dass jede Erfassung des Selbst immer nur eine Annäherung bleibt – weil das Selbst eben nicht statisch ist, sondern ein Werden.
Kelch und Schwert: Ein Bild von Mystik und Kampf, von Hingabe und Konfrontation. Vielleicht liegt genau darin der Reiz – nicht das Erfassen als abschließende Definition, sondern das ständige Umkreisen, Erzählen, Variieren. Ist es ein Sich-Entziehen oder ein Sich-Öffnen? Ein Nicht-Wollen oder ein Erkennen, dass das Selbst nur in Bewegung wahr ist?
Wenn du dich in dieser Abart von Männern wiederfindest, was ist dann dein Verhältnis zu dem, was du erzählst? Stehst du innerhalb der Erzählung – oder immer auch außerhalb, als ihr Beobachter?
Es klingt nach einem Pendeln zwischen distanzierter Reflexion und völliger Hingabe ans Tun – als würde die Arbeit eine Art Gegenpol zur Selbstauflösung im Denken bilden. Musil beschreibt ja genau diese Spannung: das Bedürfnis nach Durchdringung der Welt und gleichzeitig die Sehnsucht nach einem Moment der Ruhe, sei es in der Ekstase des Schaffens oder in der völligen Entgrenzung.
Die Fixierung in Arbeitswut könnte dabei eine Art Selbstvergessenheit sein – eine Atempause vom unaufhörlichen Oszillieren zwischen Innen- und Außenperspektive. Aber vielleicht auch eine Strategie, nicht zu lange an der Unmöglichkeit stehenzubleiben, sich endgültig zu erfassen.
Was gibt dir in diesen Wechselbewegungen die meiste Klarheit – der Moment der Reflexion oder das Versinken in der Arbeit? Oder ist es genau dieses Changieren, das deine Perspektive schärft?
Ich:
Letzteres bin ich mir ziemlich sicher und bin dankbar, dass ich genauso undiszipliniert sein kann wie „tüchtig“.
ChatGBT:
Das klingt nach einer gelebten Dialektik – und vielleicht ist genau das die innere Freiheit: sich nicht endgültig auf eine Seite schlagen zu müssen, sondern sich in beiden Polen zu bewegen, ohne sich festzulegen. Undiszipliniertheit als schöpferische Offenheit, Tüchtigkeit als Verdichtung – beides hat seinen Moment, seinen Sinn.
Musil hätte das vermutlich als Ausdruck des „Möglichkeitssinns“ verstanden: nicht bloß das Wirkliche zu akzeptieren, sondern in der Schwebe zu halten, was auch sein könnte. Vielleicht ist es gerade diese Flexibilität, die eine tiefere Art von Disziplin erfordert – eine, die nicht an äußeren Strukturen, sondern an einer inneren Kohärenz hängt.
Gibt es für dich einen Punkt, an dem das Pendeln stockt – oder gehört dieses unaufhörliche Changieren so sehr zu dir, dass Stillstand keine Gefahr ist?
Ich:
Die Tatsache, dass ich jetzt gleich dem Spiel des SC Paderborn gegen Hannover folgen werde, spricht für die Gefahrlosigkeit des Stillstandes. Bis später!
ChatGBT:
Dann genieße das Spiel – und die Freiheit, dich ganz darauf einzulassen! Bis später!
Ich:
Ich habe noch nach dem oben angeführten Zitat gesucht.
Es ist ein Bild des Lebens, das der Gerichtssaal bei dieser Gelegenheit bot, denn alle die lebhaften Menschen des Lebens, die es gänzlich unmöglich finden würden einen Kraftwagen zu benützen, der älter als fünf Jahre ist, oder eine Krankheit nach den Grundsätzen behandeln zu lassen, die vor zehn Jahren die besten waren, die überdies ihre ganze Zeit freiwillig-unfreiwillig der Förderung solcher Erfindungen widmen und davon eingenommen sind, alles zu rationalisieren, was in ihren Bereich kommt, überlassen die Fragen der Schönheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Glaubens, kurz alle Fragen der Humanität, soweit sie nicht geschäftliche Beteiligung daran haben, am liebsten ihren Frauen, und solange diese noch nicht ganz dazu genügen, einer Abart von Männern, die ihnen von Kelch und Schwert des Lebens in tausendjährigen Wendungen erzählen, denen sie leichtsinnig, verdrossen und skeptisch zuhören, ohne daran zu glauben und ohne an die Möglichkeit zu denken, daß man es auch anders machen könnte.
Ich glaube, dass mir der Satz wohl wegen der Schwert/Kelch – Symbolik (Tarot, Animus und Anima, Yin und Yang) hängen geblieben ist. Leichtsinnig, verdrossen, skeptisch ist die Reaktion der (meisten) Ingenieure oder Naturwissenschaftler. Die wenigsten stehen synchronistischen Phänomenen offen gegenüber.
ChatGBT:
Ein großartiges Zitat – typisch für Musils analytische Schärfe, die Gesellschaft, Rationalität und die „weichen“ Fragen der Humanität gegeneinander ausspielt. Die Gegenüberstellung ist faszinierend: Die einen treiben den technischen Fortschritt voran, rationalisieren und optimieren, aber überlassen die Fragen des Sinns, der Schönheit und der Gerechtigkeit entweder den Frauen oder einer bestimmten „Abart von Männern“, die noch von den alten Symbolen erzählen.
Dass dich gerade die Kelch-Schwert-Symbolik anspricht, wundert mich nicht – es ist ja ein universales Motiv: Yin und Yang, Animus und Anima, Herz und Verstand, Geist und Materie. Kelch als das Empfangende, das Umfassende, das Weibliche; Schwert als das Trennende, Entscheidende, das Männliche. In der Synchronizität wären sie keine Gegensätze, sondern sich ergänzende Prinzipien.
Die Reaktion der Naturwissenschaftler und Ingenieure, wie Musil sie beschreibt, ist auf eine Weise tragisch: skeptisch, verdrossen, ohne echte Neugier auf die andere Seite der Wirklichkeit. Was nicht „messbar“ ist, wird als irrelevant oder gar nicht existent betrachtet. Es gibt aber ja auch Ausnahmen – Physiker wie Wolfgang Pauli, der mit Jung über Synchronizität nachdachte, oder David Bohm, der über verborgene Ordnungen sprach.
Was denkst du: Ist diese Skepsis eine Frage der Sozialisation, des Denkstils – oder ein Schutzmechanismus, um sich nicht der Ungewissheit auszusetzen, die das Kelch-Symbol mit sich bringt?
Ich:
Beides nehme ich an. Bei fehlender Begegnung kann sich ein solches Denken nur schwer einstellen, bei Angst vor gesellschaftlicher Ablehnung oder Verlachung ist es Selbstschutz.
ChatGBT:
Ja, das leuchtet ein. Ohne Begegnung gibt es keinen Impuls, sich auf eine andere Perspektive einzulassen – und selbst wenn der Impuls da ist, kann die Angst vor sozialem Ausschluss oder Lächerlichkeit die Tür schnell wieder zuschlagen.
Vielleicht ist genau das der Punkt, an dem Musil mit seiner Idee des „Möglichkeitssinns“ ansetzt: die Fähigkeit, nicht sofort zu urteilen, sondern offen zu halten, dass die Welt auch anders sein könnte, als sie auf den ersten Blick erscheint. Für viele ist das bedrohlich – es untergräbt die Sicherheit des Faktischen, die ihnen Halt gibt.
Und doch gibt es Momente, in denen sich selbst der rationalste Ingenieur oder Naturwissenschaftler von etwas berühren lässt, das sich nicht in Formeln fassen lässt. Manchmal ist es eine persönliche Krise, manchmal ein ästhetisches Erlebnis – und manchmal vielleicht nur der Zufall, der keiner ist.
Hast du in deiner Erfahrung mit Menschen aus diesen „rationalistischen“ Kreisen erlebt, dass sich ihr Denken durch eine bestimmte Erfahrung geöffnet hat? Oder bleibt es meist eine Kluft?
Ich:
Trägheit oder mangelndes Wissen verhindern die Auseinandersetzung. Geisteswissenschaftliche Vorlesungen gehören nicht zum Curriculum. Aber es gibt natürlich Ausnahmen jenseits von Wolfgang Pauli u.a. Es bedarf halt des Mutes sich fragwürdig zu machen.
ChatGBT:
Ja, genau – es ist nicht nur die fehlende Ausbildung, sondern auch die Angst, sich selbst infrage zu stellen. Wer sich mit Philosophie, Kunst oder Psychologie beschäftigt, kommt schnell an den Punkt, an dem die eigenen Überzeugungen wanken. Das ist unbequem und oft auch unerwünscht.
Der Mut, sich fragwürdig zu machen, ist eine seltene Tugend. Es bedeutet, Unsicherheit auszuhalten, sich angreifbar zu machen und vielleicht sogar von der eigenen Berufsgruppe belächelt zu werden. Aber genau darin liegt ja auch die Möglichkeit zur Erkenntnis: Wer nur innerhalb seiner Denktradition bleibt, bleibt auch innerhalb ihrer Grenzen gefangen.
Hast du mit solchen Menschen schon Gespräche geführt, in denen du gemerkt hast, dass ihr Weltbild ins Wanken gerät? Gibt es eine Art von Anstoß, die besonders wirksam ist, um diese Tür zumindest einen Spalt breit zu öffnen?
Ich:
Ja, das numinose Erleben – dieses gleichzeitige Erschauern und Angezogenwerden – ist oft der Schlüssel. Es reißt einen aus der Gewohnheit, entzieht sich der reinen Ratio und schafft eine Erfahrung, die nicht mehr so leicht wegdiskutiert werden kann.
ChatGBT:
Und tatsächlich, wir sind wieder bei Fritsche und Thomas Mann: beide Chronisten des modernen Menschen, der zwischen Skepsis und Sehnsucht schwankt. Manns Figuren wie Hans Castorp oder Adrian Leverkühn geraten immer wieder an den Punkt, an dem sie sich mit dem Numinosen konfrontiert sehen – sei es in Krankheit, Musik oder verführerischen Denkern. Und Fritsche? Er tastet sich mit seinen „Erlebnisräumen“ noch weiter in das Mysteriöse vor, öffnet die Tür für das Ungefähre, für das, was nicht eindeutig ist.
Vielleicht sind es gerade diese Grenzerfahrungen, die die Denkweise verändern – nicht Belehrung oder Theorie, sondern Erlebnisse, die einem die gewohnte Ordnung entreißen. Aber natürlich bleibt die Frage: Wer ist bereit, sich darauf einzulassen? Und was braucht es, damit der Sprung ins Unbekannte nicht als Bedrohung, sondern als Verheißung erscheint?
Ich:
Tätiges Handeln auch für den Nächsten und auch ein wenig Nabelschau für sich selbst. Moira, meine Hündin, ist gerade ins Bett gesprungen. Tippen auf dem Tablet und Streicheln, da fehlt die dritte Hand. Manchmal schafft Mangel Gewinn. Hundefell gehört eindeutig dazu. Gut’s Nächtle!
ChatGBT:
Ja, tätiges Handeln für den Nächsten und reflektierte Innenschau – das wäre eine gute Balance. Vielleicht ist genau das der schmale Grat zwischen der Gefahr des Stillstands und der Verzettelung in unaufhörlicher Bewegung.
Moira hat die Prioritäten klug gesetzt – Fell und Wärme gegen die Kälte der Glasoberfläche. Und manchmal ist es tatsächlich der Mangel, der uns das Wesentliche spüren lässt.
Schlaf gut, und grüß Moira!