Ankunft versus Verführung

Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt.

Es schaudert mich wie jedes Jahr. Wie viele Jahre  schon ist es her, dass dieses Lichtlein mit Staunen und Stille und Herzklopfen und Warten und Geborgenheit und Vorfreude verbunden war?

advenio, convenio,
concurro, cogo, contraho,
appelo, abdo, nuntio … regieren den Akkusativ.

Auf immer in mir verknüpft ist dieser Lehrvers der lateinischen Grammatik aus der Quinta mit dem Advent. Da war das advenire, das Verbum ankommen bei mir angekommen. Da hatte ich auf einmal die Übersetzung eines Wortes, das es in mir schon gab, und mit etwas anderem verbunden war, als der nun erfahrenen Wortbedeutung.

Und tatsächlich kommt ja nicht nur jemand an, der irgendwann mal losgegangen ist, oder das Päckchen, das irgendwo abgeschickt wurde, sondern auch eine Idee, ein Buch, ein Mensch kommt an. Da gibt es Empfangsstellen in mir, die ein Gespür für das Anziehende haben. Da kommt etwas bei mir an und lädt es ein: „Komm her! Bei mir kommst du an.“ Klar, was nutzt der schönste Attraktor ohne den zugehörigen Rezeptor.

Die Frage ist, nutzen sich Rezeptoren im Laufe eines Lebens ab? Wodurch werden sie stumpf? Oder sind es die Attraktoren, die ihre Wirkung verlieren? Wodurch nutzen diese sich ab? Lassen sie sich aufhübschen durch mehr Glanz, also Verpackung, mehr Darbietung, also Event, mehr MEHR, also Gier?

Viel Spaß in der vorweihnachtlichen HOCHzeit von Glitter und Glamour, lassen Sie sich schön verführen!

Hanswerner Herber

PS.: Ach ja, vielleicht können Sie sich noch einen kleinen Winkel der Stille erobern und horchen, ob etwas ankommen will und staunen darüber, dass Sie das können. Dann sind Sie bei sich angekommen.

Scroll to Top