Sokrates auf dem Marktplatz oder das Kamel und das Nadelör

Als echter Philosoph, der er war, glaubte Sokrates, ein weiser Mensch würde instinktiv ein einfaches Leben führen.
Er selbst pflegte noch nicht einmal Schuhe zu tragen. Und doch fühlte er sich immer wieder vom Marktplatz angezogen und besuchte ihn oft, um die dort angebotenen Waren zu betrachten.
Als einer seiner Freunde ihn fragte, warum er das täte, sagte Sokrates: „Ich gehe gern hin, um festzustellen, wie viele Dinge es gibt, ohne die ich phantastisch auskomme.
Spiritualität bedeutet nicht,
zu wissen, was man braucht,
sondern einzusehen,
was man nicht braucht.
Soviel, Ihr Lieben, zum heiß diskutierten Thema des Loslassens. Die Gedanken wandern weiter zu dem jungen Mann, dem Joshua riet alles Hab und Gut zu verkaufen. Er wandte sich ab. Seither müssen wir uns überlegen, ob wir lieber als Kamele durchs Nadelör wollen oder als Reiche auf´s Himmelreich verzichten wollen
Ach ja, nur so als Schmankerl: Καμηλος (Kamel) wurde irgendwann kamilos ausgesprochen. Und καμιλος (Schiffstau) genau so. Und „eher geht ein Schiffstau durch ein Nadelör als ein Reicher ins Himmelreich“ ist zwar allemal in sich stimmiger als das sich durchs Ör quetschende Kamel, dafür aber auch weniger lustig. Vielleicht war es aber auch nur kalt im Transskriptorium und das Mönchlein demotiviert oder hatte seinen ungliebten Abt vor Augen, dem man mal eins auswischen konnte. „Die Seele ernährt sich von dem,
worüber sie sich freut.“  (Augustinus)

Hanswerner Herber

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